Forderungen der Caritas zum aktuellen Stand der Krankenhausreform
Sachstand
In einem intensiven Prozess wird die Krankenhausreform auf Bundesebene vorangetrieben. Es findet ein intensiver Prozess der Bund-Länder-Abstimmung statt. Der Entwurf der Regierungskommission wurde mehrfach modifiziert. Es erfolgt eine Orientierung an den Leistungsgruppen des NRW-Modells. Die Länder sollen diese Leistungsgruppen Krankenhäusern zuordnen können. Gleichzeitig soll es bundeseinheitliche Mindeststrukturvorgaben für die Leistungsgruppen geben. Das BMG hält an der Leveleinteilung für Krankenhäuser fest und begründet dies mit der Transparenz der Qualität für Patient*innen. Die Level orientieren sich an den Notfallstufen. Es soll geklärt werden, ob die Levelvoraussetzungen auch in Verbundstrukturen erbracht werden können.
Krankenhäuser des Level 1 i können unter bestimmten Bedingungen auch in den Krankenhausplan aufgenommen werden. Es liegen Ausführungen zur Vorhaltefinanzierung der Krankenhäuser vor und Auswirkungsanalysen wurden beauftragt.
Bewertung
Eine Krankenhausreform ist dringend notwendig. Die Caritas und der KKVD unterstützen grundsätzlich den Prozess einer Krankenhausreform. Ziel der Krankenhausreform muss eine wohnortnahe Versorgung sein, die sich am Patientenwohl orientiert, finanzierbar ist und attraktiv für Fachkräfte ist.
Kritisch bewerten Caritas und KKVD, dass die Krankenhausreform Pflegekräfte und andere Gesundheitsberufe kaum an der Gestaltung beteiligt und die Auswirkungen auf angrenzende Versorgungsbereiche wie etwa die Langzeitpflege und ambulante Pflege nicht berücksichtigt werden.
Folgende Punkte sind dringend verbesserungsbedürftig:
- Grundsätzlich kritisch bewertet wird die Einführung von Leveln für Krankenhäuser. Es ist nicht nachvollziehbar, was diese zur Transparenz beitragen können. Sie suggerieren den Patient*innen und Bürger*innen, dass Krankenhäuser des Level I eine schlechtere Qualität bieten. Dies steht im Widerspruch zu der Zuordnung von Leistungsgruppen, die strukturelle Voraussetzungen haben sollen. Wenn Kliniken diese Strukturvorgaben erfüllen, können sie diese qualitativ gut erfüllen. Die Level sind überflüssig. Patient*innen interessieren gute Gesundheitsleistungen in erreichbarer Nähe. Es braucht die vorgegebenen Levelzuteilungen jedenfalls nicht, damit die Menschen wissen, wo sie gut versorgt werden können.
- Die Menschen müssen auf eine qualitativ gute und erreichbare Gesundheitsversorgung setzen können. Ein zertifiziertes Tumorzentrum ist ein zertifiziertes Tumorzentrum und muss dazu nicht erst in ein anderes Krankenhaus umziehen, damit der Levelzuteilung genüge getan wird.
- Die Idee einer Schmalspurversorgung auf dem untersten Level schwächt die Versorgung, vertreibt pflegerisches und ärztliches Fachpersonal in andere Level, entzieht die wichtige fachliche Breite für alle grundständigen Aus- und Weiterbildungen im Gesundheitswesen.
- Level 1 n-Häuser sind nach bisheriger Einschätzung wirtschaftlich kaum tragfähig. Auch für die Level 1 i -Häuser liegen keine Konzepte vor, die die langfristige personelle und wirtschaftliche Tragfähigkeit aufzeigen. Es besteht die Gefahr, dass die Häuser der Grundversorgung mittelfristig nicht überlebensfähig sind.
- Hochwertige Gesundheitsversorgung wird vielerorts längst in effizienter Verbundstruktur mehrerer Krankenhausstandorte oder Krankenhäuser geleistet. Im Bereich der verschiedenen Träger der Caritas sind diese zwei Verbundmöglichkeiten schon heute gängige Praxis:
- ein Krankenhaus (IK-Nummer) mit mehreren Standorten. Hier wird das Leistungsspektrum entweder standortübergreifend oder "nur" an einem Standort erbracht. In jedem Fall nach einheitlichen Qualitätsstandards und in der Regel unter einer ärztlichen Leitung einer Abteilung (z.B. 1 Chefarzt an 2 Standorten). Es werden möglichst keine Doppelstrukturen vorgehalten.
- Leistungserbringung / Abstimmung mit mehreren Krankenhäusern eines Trägers in einer Region. Hier findet eine Schwerpunktbildung statt, um Leistungen an einem Standort zu konzentrieren. Hierunter fallen auch Modelle von Portalkliniken in einem dann starken Verbund. Auch hier können Doppelstrukturen gebündelt werden.
- In beiden Modellen werden medizinische Leistungen in hoher Qualität erbracht und durch die Umsetzung einer gemeinsamen Medizinstrategie auf einem höheren medizinischen Niveau. Dies steigert neben der besseren medizinischen Versorgung für Patient*innen auch die Attraktivität für Mitarbeitende. Durch diese Konzentration und Zusammenarbeit ist es möglich in den einzelnen Fachgebieten auch an kleineren Standorten größere Abteilungen auf hohem Niveau anzusiedeln. Die Trennungsphilosophie der Bundesvorgaben wird dieser beschriebenen Fachlichkeit und der Wirklichkeit nicht gerecht. Faktisch werden die Verknüpfung von Leistungsgruppen und Leveln dazu führen, dass viele Krankenhäuser Leistungsgruppen abgeben müssen und an anderen Krankenhausstandorten massiv Kapazitäten ausgebaut werden müssen. Dies wird zu Umstellungskosten in Milliardenhöhen führen.
- Die fehlenden Auswirkungsanalysen (Standortschließungen, Fachabteilungs- und Schwerpunktumzüge, Personalflucht...) der regulatorischen Bundesvorgaben zeugen von einer großen Patientenferne und der Inkaufnahme von Versorgungsabbrüchen.
- Die Krankenhausreform macht nicht transparent, dass massiv Versorgungskapazitäten abgebaut werden sollen. Dies erfolgt u.a. durch die Schwächung der Grund- und Regelversorgung durch Leistungsgruppen- und Levelverknüpfung. Dies hat zur Folge, dass Patient*innen deutlich weitere Wege, längere Wartezeiten und Versorgungsengpässe in Kauf nehmen müssen. Dies entspricht dem Modell einer versteckten Rationierung von Gesundheitsleistungen.
- Die Schwächung Grund- und Regelversorger zugunsten großer zentralisierter Maximalversorger und die umfassende Schließung von Krankenhausstandorten wird dazu führen, dass sich viele Träger aus diesem Bereich zurückziehen müssen und Ausbildungs- und Weiterbildungskapazitäten in der Pflege und anderen Gesundheitsberufen verloren gehen.
- Pflegekräfte und andere Fachkräfte wollen wohnortnah arbeiten. Wenn dies nicht mehr möglich ist, besteht die Gefahr, dass sie aus der Pflege aussteigen.
- Eine Krankenhausreform, die nicht die angrenzenden Versorgungsbereiche wie etwa die Langzeitpflege berücksichtigt, ist zu kurz gegriffen bzw. hochriskant. Es besteht die Gefahr, dass chronisch kranke Menschen bzw. pflegebedürftige Menschen aufgrund fehlender wohnortnaher ambulanter und stationärer Kapazitäten nicht ausreichend versorgt werden können und damit pflegende Angehörige noch stärker belastet werden. Die Krankenhausreform kann weder ohne die prä- und poststationäre Akut- noch ohne die ambulante und stationäre Langzeitpflege gedacht und geplant werden.
- Die vorliegenden Finanzierungsvorschläge weisen auf eine weiterhin drohende Unterfinanzierung des Krankenhausbereiches hin. So sinnvoll eine Vorhaltefinanzierung ist, muss diese jedoch so gestaltet sein, dass sie auskömmlich ist.
Lösung
Das Konzept der Leistungsgruppen sollte weiterentwickelt werden. Die Leveleinteilung sollte aufgegeben werden. Mit Hilfe der Leistungsgruppen und der bestehenden Verbundstrukturen sollten leistungsfähige regionale Versorgungskonzepte entwickelt werden unter Federführung der Länder. Hier ist auch die Umgestaltung von Krankenhausstandorten denkbar. Das Finanzierungssystem sollte so weiterentwickelt werden, dass die tatsächlichen Vorhaltekosten auskömmlich refinanziert werden, Fehlanreize abgebaut werden und die aktuelle Finanzkrise der Krankenhäuser überwunden wird. In eine Krankenhausreform sollten Patient*innen und Fachkräfte eingebunden werden. Die Caritas und der KKVD engagieren sich insbesondere für eine Gestaltung des Krankenhausbereiches, der die Perspektive von vulnerablen Personen und ihren Angehörigen sowie den Fachkräften einschließt.