Pressemitteilung des Diözesan-Caritasverbandes Berlin |
Verdeckte Armut - diskreter Reichtum: Menschen im Licht und im Schatten |
Caritas begann mit Fachtagung, Armutsdiskussion um Reichtumsdiskussion zu ergänzen |
Berlin (cv) - "Wenn es stimmt, daß Armut die Kehrseite einer auf Leistung und Konkurrenz fußenden Gesellschaftsordnung ist, daß also die soziale Ausgrenzung die Kehrseite von sozialem Aufstieg ist, dann werden Ausmaß und Qualität sozialer Ausgrenzung nicht trotz, sondern mit steigendem Wohlstand zunehmen!" Diese nüchterne Bilanz zog am gestrigen Dienstag Professor Dr. Ernst-Ulrich Huster von der Evangelischen Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe vor den rund einhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern einer Fachtagung, die der Caritasverband unter dem Titel anbot "Verdeckte Armut - diskreter Reichtum, Menschen im Licht und im Schatten". Armut und Reichtum seien zwei Seiten einer Medaille, so der Reichtumsforscher. Nach der Armutsuntersuchung der Caritas (1992) in den alten Bundesländern und der Lebenslagenuntersuchung von Caritas und Diakonie 1997 machte sich der Berliner kirchliche Wohlfahrtsverband daran, auch die andere Seite der Medaille in den Blick zu nehmen: Wie verhält es sich mit dem Reichtum in Deutschland? Dazu wartete Huster mit interessanten Informationen auf, die das Ausmaß der Situation vor Augen führten. Wenn ein Leben unterhalb der Hälfte dessen, was einem Haushalt durchschnittlich zur Verfügung steht, die Grenze zur Armut markiert, so stellt nach Huster das Überschreiten des doppelten durchschnittlichen Haushaltseinkommens ebenfalls eine besondere Qualität dar, die hier als Reichtumsgrenze gefaßt werden soll. Liegt also 1993 das durchschnittliche verfügbare Haushaltseinkommen in den alten Bundesländern bei 4.821 DM, so ergibt sich eine durchschnittliche Reichtumsgrenze von ungefähr 9.600 DM. Nimmt man das Gesamtvermögen, so verfügen die obersten 5,1 Prozent der Haushalte über 35,6 Prozent des gesamten Vermögens, während sich auf die untere Hälfte der Haushalte nur 9,5 Prozent des Vermögens verteilen. Einerseits, so Professor Huster, erfülle Reichtum wichtige Funktionen in unserer Gesellschaft, was Wirtschaft und Innovation angehe. Andererseits hat sich die Gesellschaft in der Bundesrepublik Deutschland offensichtlich damit abgefunden, daß parallel zum stetig steigenden Wohlstand, ja Reichtum, die Zahl der Personen dramatisch zunimmt, die ohne staatliche Hilfe ihr Auskommen nicht fristen können. Huster dazu: "Es gibt soziale Hierarchisierung, und diese hat eine wichtige Funktion für unsere Gesellschaft. Eine derartige soziale Hierarchie allerdings wird nur dann sozial akzeptiert worden können, wenn sie auf einer Absicherung von Mindestrechten für alle beruht. Über die liberalen Grund- und Freiheitsrechte hinaus, deren Bedeutung gerade angesichts wachsender Gewalt in dieser Gesellschaft wichtiger denn je ist, bedarf es sozialer Grundrechte, zu denen die angemessene Gewährung von Nahrung, Kleidung, Wohnung, Bildung, Arbeit, Versorgung im Alter und im Krankheits/Pflegefall gehören. Je schneller und je gründlicher diese Gesellschaft darüber nachdenkt, wie solche Mindeststandards gewährt werden können, um so eher sind die gewaltsamen Protestaktionen gegen soziale Ungleichverteilung und Chancenlosigkeit gerade bei den Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu stoppen." Caritas hat sich nicht damit abgefunden, daß eine zunehmende Zahl von Menschen auf der Strecke der Entwicklung bleibt. Mit ihrer ersten Fachtagung hat Caritas den Versuch unternommen, sich für das Problem der Zukunft zu sensibilisieren. Folgerungen, die aus den empirischen Erkenntnissen zu ziehen wären., sieht der Caritasverband darin, seine Dienste beispielsweise dicht am Bedarf der Menschen auszurichten, die bei ihnen Rat und Hilfe suchen. Diese Anforderungen richten sich u.a. darauf, · die Allgemeine Sozialberatung auszubauen,
· verstärkt Kräfte und Mittel darauf zu konzentrieren, Modellprojekte und Gesellschaften für soziale Beschäftigungsbetriebe zu schaffen,
· durch innovative Modelle der Arbeitszeitregelung und durch Modifizierung der tariflichen Rahmenbedingungen bestehende Arbeitsplätze im eigenen Bereich zu erhalten und neue zu schaffen,
· neue Aufgabenfelder zu entwickeln und auszubauen, insbesondere in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in der Familenhilfe,
· soziale Verantwortung in den Kirchengemeinden zu stärken,
· Vernetzung und Kooperation der eigenen Dienste auszubauen, der Kommunikation nach innen wie nach außen den erforderlichen Stellenwert einzuräumen.
Weitere Auskünfte: Ruth Keseberg-Alt, Tel. 030 8 57 84-2 28 |
Pressemitteilung
Verdeckte Armut - diskreter Reichtum: Menschen im Licht und im Schatten
Erschienen am:
02.09.1998
Beschreibung