BERLIN. Schizophrenie frühzeitig erkennen und behandeln, das ist das Ziel des Früherkennungs- und Therapiezentrums (FETZ) für beginnende Psychosen Berlin-Brandenburg im St. Joseph-Krankenhaus, Berlin-Weißensee.
Die Schizophrenie ist eine Volkskrankheit mit beträchtlichem Leiden und Einbußen an Lebensqualität durch den Verlust der früheren Leistungsfähigkeit und damit verbunden durch den Verlust der Arbeit, was in vielen Fällen zum sozialen Abstieg bis hin zur Verelendung führt. Jeder Hundertste erkrankt im Laufe seines Lebens daran - in der Region Berlin-Brandenburg sind es jährlich etwa 800 Menschen.
Eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis ist ein meist vorübergehender Zustand, in dem ein Mensch gewissermaßen den Kontakt zur Wirklichkeit verloren hat. Wahnvorstellungen und Halluzinationen sind typische Anzeichen dieser seelischen Erkrankung, d.h. der Betroffene fühlt sich z.B. verfolgt, von seiner Umgebung bedroht oder sieht bzw. hört Dinge, die objektiv nicht vorhanden sind. Wenn der Zustand heftig auftritt, sprechen wir von einer "psychotischen Krise", die bei richtiger Behandlung aber rasch wieder abklingen kann.
Jeder kann an einer Psychose erkranken. Als sicher gilt inzwischen aber, dass eine genetische Veranlagung zur Erkrankung beiträgt. Mehrere – bisher noch nicht abschließend identifizierte – Gene spielen hierbei eine Rolle. Auch eine durch Schädigung vor oder während der Geburt erworbene biologische Disposition wird diskutiert. In späteren Lebensjahren kann diese unter Einfluss von biopsychosozialen Faktoren wie Stress zur akuten Erkrankung führen.
Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, so bessern sich die Chancen einer wirksamen Behandlung. Häufig sind Jugendliche und junge Erwachsene betroffen. Die Mehrzahl der Betroffenen erholt sich nach der Psychose wieder, braucht aber Unterstützung bei der Bewältigung der belastenden Erlebnisse.
Der Beginn der Erkrankung liegt in der Regel bereits im jungen Erwachsenenalter. Psychotische Erkrankungen sind meist kein plötzliches Ereignis, oft verlaufen schizophrene Erkrankungen in ihrer Frühphase schleichend und fast unbemerkt. Es hat sich gezeigt, dass dem Höhepunkt der ersten psychotischen Episode und damit dem ersten Behandlungskontakt ein Zeitraum von ein bis zwei Jahren vorangeht. In ¾ der Fälle geht dieser ersten Episode eine Vorlaufphase von ca. 5-6 Jahren voran.
Erste Signale sind häufig plötzliche Leistungseinbußen – besonders im schulischen Bereich – und plötzlicher sozialer Rückzug, der auch mit unbegründetem Misstrauen gegenüber der Umwelt einher gehen kann. Depressive Verstimmung und plötzlicher Verlust des Interesses an Aktivitäten (auch sozialer Natur) stehen ebenfalls im Vordergrund. Konzentrationsstörungen treten zu Beginn der Erkrankung ebenfalls sehr häufig auf. Gerade bei Drogen konsumierenden Jugendlichen können derartige Symptome ein Hinweis auf eine beginnende Psychose sein.
Der Verlauf ist oft chronisch. Die Folgen für diese Menschen sind verheerend: Frühberentung, keine Partnerschaft, keine Kinder, ein Leben am Rande der Gesellschaft, gezeichnet von einer Erkrankung, die das Erleben und das Verhalten der Patienten tiefgehend verändert.
Doch das muss nicht so sein. Denn man weiß heute, dass eine möglichst frühzeitige Behandlung diesen Menschen einen solchen Verlauf ihres Lebens ersparen würde. Dr. Iris Hauth, Chefärztin des St. Joseph-Krankenhauses Berlin-Weißensee: "Je früher, desto besser! Viel Stress und Leid kann bei den Betroffenen und ihren Familien vermieden werden, wenn junge Menschen, die sich in Verhalten, Leistungsfähigkeit und Gefühlsleben verändern, rechtzeitig in fachliche Beratung kommen."
Das Früherkennungs- und Therapiezentrum Berlin-Brandenburg für beginnende Psychosen (FETZ), das unter Leitung von Privatdozent Dr. Georg Juckel (Klinik für Psychiatrie der Charité) und unterstützt durch das Unternehmen Janssen-Cilag gegenwärtig in Berlin und Brandenburg aufgebaut wird, hat sich zur Aufgabe gemacht, psychose-gefährdete Patienten schon vor Ausbruch der eigentlichen Erkrankung anhand von Vorboten zu erkennen und einer adäquaten Behandlung zuzuführen.
Das St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee ist dabei essentieller Bestandteil des neu geschaffenen lokalen Netzwerkes des FETZ in Berlin-Brandenburg. Hier werden eine Screening- und Basisdiagnostik sowie fokussierte Frühinterventionen für die Modellregion Pankow angeboten. Zusätzlich werden Schulungs- und Weiterbildungsprogramme durchgeführt.
Durch Sensibilisierung von Berufsgruppen, die mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu tun haben, wie Lehrer, Pfarrer, Sporttrainer, Ärzte, Psychologen, Sozialarbeitern usw., soll die Chance deutlich erhöht werden, Menschen mit beginnenden Psychosen früher als bisher adäquate Hilfestellung zu geben.
Ziel ist es, ein wohnortnahes, niedrigschwelliges, individuelles Diagnose- und Therapieangebot aufzubauen, um so die Neuerkrankungsrate in Berlin-Brandenburg drastisch zu senken – zum Wohl der Patienten und – langfristig – zur Reduktion der direkten und indirekten Kosten der Schizophrenie.
Das Programm für Betroffene besteht aus einer gründlichen medizinischen und psychologischen Diagnostik und individuellen Beratung, die auf Wunsch auch anonym durchgeführt werden können, sowie einer Reihe therapeutischer Interventionen zum Training sozialer und kognitiver Fähigkeiten (Stress- und Problembewältigung, Gedächtnis- und Konzentrationstraining usw.).
Ansprechpartnerin für Interessierte und Betroffene im Bezirk Pankow ist Dipl.-Psych. Luzia Telger, St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee (Tel. 0 30/9 27 90-2 64). Weitere Informationen, inkl. der aktuellen Fort- und Weiterbildungstermine sowie einer Frühsymptom-Checkliste, sind in Kürze unter "
www.alexius.de , St. Joseph-Krankenhaus Berlin-Weißensee zu finden.