Kleine Handwerker-Helden ganz groß
Ein Mädchen beim Bohren am HolzhausAngela Kröll
"Das Ding passt nicht rein", ruft Luise während sich die zierliche Neunjährige mit ihrem gesamten Körpergewicht gegen den Akku-Schrauber stemmt. Die Schraube steckt schräg im Brett - halb drin, halb draußen und bewegt sich kein Stück. "Dann hol Dir die Zange", rät Betreuerin Laura Dessel. Gesagt, getan. Schraube raus und dann gerade rein. Luise lacht und streckt den Akku-Schrauber stolz in die Höhe. Marieke und Louise legen derweil das nächste Brett an. Luise hämmert von oben gegen und dieses Mal setzt Larissa mit dem Akku-Schrauber an. "Sägen und Schrauben sind mein Hobby", sagt Larissa und grinst. Der Mädels-Bautrupp setzt alles daran, dass das Rathaus bis Freitag steht.
In Nauen haben diese Woche Kinder ihre eigene Stadt gebaut. Vorbild war das erfolgreiche Ferienprojekt in Rathenow, deren Initiatorin unter anderem die Caritas-Mitarbeiterin Katrin Sagrauske-Kaiser war. Auch in Nauen war sie dieses Mal dabei als die Sechs- bis Zwölfjährigen im Rahmen des Caritas-Ferienprojekts ihre eigene Stadt planen und errichten durften. "Mich überrascht jedes Mal, für welche Gebäude sich die Kinder entscheiden", erzählt Katrin Sagrauske-Kaiser. In Nauen hatte die Gruppe am Montag festgelegt, dass es einen Einkaufsladen, ein Rathaus und eine Beach-Bar geben soll. Über die fehlende Schule sei sie schon etwas verwundert gewesen, gibt sie mit einem Lächeln zu. Doch die Chefs sind in diesem Fall die Kinder.
Plakat zum ProjektAngela Kröll
Es gehe bei diesem Projekt darum, das Demokratieverständnis, Teamwork und handwerkliches Geschick zu fördern, erklärt Caritas-Sozialarbeiterin Laura Dessel. Und Erfolgserlebnisse zu schaffen. "Es muss nicht gerade und perfekt sein", sagt sie. "Hauptsache sie haben es selbst gemacht." Zu Beginn der Bauwoche hatten sie noch ehrenamtliche Unterstützung von einem Zimmermeister und einem Elektriker. "Die haben natürlich wertvolle Tipps gegeben."
Eine Baustelle weiter hockt Finley in der gleizenden Sonne auf der Beach-Bar und verlegt Dachpappe. "Hat jemand mal einen Zollstock?" Oliver greift in seine Beintasche, doch da steckt nur der Hammer. Jemand anderes reicht einen Zollstock nach oben. Stolz sind die Jungs, dass sie bereits Richtfest gefeiert haben und sich jetzt den Details wie Tresen und Pool widmen können. Für den buddeln sie gerade die Grube. "Das ist ganz schön anstrengend", sagt Oliver, "weil im Boden so viel Schutt liegt. Deshalb werden wir den Pool etwas kleiner bauen als ursprünglich geplant." Dem Elfjährigen macht die Bauwoche riesig Spaß. "Natürlich kommt es vor, dass man sich auch mal streitet, aber dafür haben wir Regeln aufgestellt."
Zu den Regeln gehört auch die "Handypause". Die hat Schulsozialarbeiter Frank Deusing eingeführt. "Am Anfang waren die Kids ständig verschwunden, um am Handy zu spielen", erklärt er. "Ganz verbieten geht heutzutage nicht, deshalb habe ich mir die gemeinsame Handypause einfallen lassen", sagt er und zuckt mit den Schultern. Umso wichtiger findet er dieses Ferienprojekt, bei dem die Kinder etwas selber machen und an einer Sache dran bleiben. Während er das erzählt, schielt er immer wieder rüber zu seinem Bautrupp von dem Einkaufsladen. "Nora, halt doch mal das Brett mit fest, dass es nicht so wackelt." Am Boden fixiert Philip mit beiden Händen die Holzlatte, während Jimmy sägt. July hat es sich im Schneidersitz auf einem Tisch neben dem unfertigen Laden bequem gemacht und beobachtet die Drei. "Ich dachte erst, dass ich das einzige Mädchen sein werde. Ist aber gar nicht so." Tatsächlich ist die Baugruppe der 25 Kinder sehr ausgewogen und auch bei der Aufgabenteilung wird kein Unterschied in "Mädchen- und Jungensachen" gemacht, betont Laura Dessel. July hatte ihren ersten eigenen Hammer bereits mit drei Jahren. "Zusammen mit meinem großen Bruder Jimmy bauen wir auch zuhause viel."
Eine Gruppe Kinder vor dem fertig gebauten HausAngela Kröll
Am Samstag präsentieren die Helden der Baustelle ihre Kinderstadt der Öffentlichkeit, bevor sie die Gebäude dann am Montag offiziell beziehen und spielerisch in Betrieb nehmen können. Langfristig hofft das Team der Caritas mehr Vereine und Ehrenamtliche gewinnen zu können, die die Gebäude sowohl im Laufe des Jahres für Aktionen nutzen als auch sich an den Bauwochen der kommenden Jahre engagieren. Denn die Kinderstadt Nauen soll Sommer für Sommer wachsen. Dann vielleicht auch mit einer Schule.
Bericht von Christina Bustorf