Kieztour: Berlin aus Sicht eines Obdachlosen
Der 61-Jährige Klaus Seilwinder lebte von 2002 bis Ende 2009 ohne Dach über dem Kopf. Das Leben und seine Alkoholsucht finanzierte er sich damals mit dem Sammeln von Pfandflaschen. Seit sechseinhalb Jahren ist Seilwinder nun abstinent. Die Stadtführungen, die er heute für den Verein "querstadtein.org" anbietet, sind für ihn dabei so etwas wie eine Nachsorge.
Dennoch fragt er sich oft, wo ihn das Leben mit dem Alkohol hingeführt hat und was dadurch alles passiert ist. Sein damaliger Schlafplatz war ein Spielplatz in Mitte, welchen er auf der Tour als Bild in die Runde zeigt. Sobald das erste Licht im Häuserblock gegenüber anging, wusste er, dass er diesen Ort verlassen muss und so begann sein täglicher Streifzug durch die Straßen Berlins.
Erst als Klaus Seilwinder im Winter 2008/2009 bei einem Freund nächtigen darf, beginnt sein Weg raus aus der Obdachlosigkeit. Der Freund setzt ihm ein Ultimatum: Entweder schaffe er es zurück ins Sozialsystem, oder er schmeiße seine Habseligkeiten aus dem Fenster. Nach und nach beginnt für Seilwinder das Umdenken und so beantragt er erste Dokumente wie seine Geburtsurkunde und den vorläufigen Personalausweis. Für ihn ist klar, ohne seinen beharrlichen Freund hätte er den Weg aus der Obdachlosigkeit nicht geschafft.
Am Ende der Tour sagt Seilwinder, wenn man einem Obdachlosen helfen wolle, dann solle man ihn direkt fragen, ob man etwas für ihn tun könne: "Fragen gibt den Menschen Würde wieder."
Die Kieztouren mit Herz gibt es seit 2016. Bei den Stadtspaziergängen haben Interessierte die Möglichkeit, soziales Engagement in der Hauptstadt hautnah zu erleben. Initiiert wurden die Kieztouren mit Herz vom Erzbistum Berlin, dem Caritasverband für das Erzbistum Berlin und dem Katholischen Deutschen Frauenbund Diözesanverband Berlin.
Weitere Informationen:
www.caritas-berlin.de/kieztouren
oder
www.erzbistumberlin.de/kieztouren