Caritas-Pastoral-Tag bringt die beiden Riesen des katholischen Lebens zusammen
Mit Workshops, Podien, Improtheater, Gottesdienst, Musik und leckeren Snacks in und rund um die St. Paulus-Kirche in Berlin-Moabit kamen sich die beiden großen Player des kirchlichen Lebens näher, die sonst so oft nur nebeneinander her leben.
Der Pastorale Prozess "Wo Glauben Raum gewinnt" macht es möglich: langsam beginnen Kirchengemeinden, die Einrichtungen der Caritas auf dem Territorium ihrer Pfarrei intensiver als Kirche wahrzunehmen und die Diakonie als dritte Säule ihres pfarrgemeindlichen Lebens neu zu beleuchten. Die Einrichtungen der Caritas beginnen hingegen, die Kirchengemeinden als ihre natürlichen Partner und sich als kirchlichen Ort zu entdecken. Der erste "Caritas-Pastoral-Tag" bildete daher einen besonderen Begegnungsort, um erste Beziehungen in lockerer Atmosphäre aufzubauen. Gemeinsam mit Erzbischof Heiner Koch und Diözesancaritasdirektorin Professorin Ulrike Kostka diskutierten die Teilnehmenden zu Themen wie "Kranke Menschen begleiten als geistliche Aufgabe", "Diakonische Kirche werden im Sozialraum", "Die Not der Welt vor unserer Haustüre", "Speed-Dating - Miteinander ins Gespräch kommen". Organisiert wurde das Begegnungsfest von beiden Säulen des kirchlichen Lebens, vom Caritasverband im Erzbistum Berlin und dem Dezernat Seelsorge im Erzbischöflichen Ordinariat unter der Leitung von Uta Raabe.
Die Sichtweise der Menschen vor Ort erfassen
Professor Michael Ebertz Workshop stellte sich unter dem Titel "Blockierte Riesen?!" die Frage, wie gut die Kooperation von Caritas und Pastoral vor Ort funktioniert. Der Religionssoziologe und Theologe von der Katholischen Hochschule Freiburg begleitet wissenschaftlich das Projekt "Caritas rund um den Kirchturm". Auf dem Caritas-Pastoral-Tag präsentierte er nun erste Ergebnisse aus einer Online-Befragung, die an hauptberufliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Caritas und Pastoral gerichtet war und der Evaluierung des Projektes diente. Rund drei Viertel der Befragten wünschten sich eine Annäherung der Caritas an die Realität der Kirchengemeinde und gut zwei Drittel, dass Kirchengemeinden die verbandliche Caritas stärker wahrnehmen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kirchengemeinden, ergab die Umfrage, möchten mehr Kenntnisse und Informationen über die Arbeit der Caritas. Sie möchten das Verständnis gestärkt sehen, dass Caritas auch Kirche ist, ebenso wie das Selbstverständnis einer Kirchengemeinde, selbst zur Caritas berufen zu sein. Die Kirchengemeinde solle eine Bereitschaft entwickeln, stärker über die engen Grenzen der Pfarrgemeinde hinauszuschauen. Umgekehrt wünschen sich laut Umfrage die Caritasmitarbeitenden mehr Wissen um den Zustand der Kirchengemeinden sowie in Kirchengemeinden die Erkenntnis, dass auch Caritas Kirche ist. Sie suchen mehr Möglichkeiten zum gemeinsamen Austausch und Kooperation.
Das Podium "Wenn nicht hier, wo sonst? Kirche gründlich anders" diskutierte, wie Kirche als karitativer Player vor Ort wahrgenommen und wie Caritas als Kirche im Kiez wiedererkannt wird. Schwester Michaela Bank von den Missionsärztlichen Schwestern berichtete über ihre Arbeit in der Beratungsstelle, mit der die Ordensfrau mit ihrer Mitschwester seit 1993 auf die Menschen in Marzahn-Hellersdorf zugeht. Mit einem pastoralen Angebot könne sie die Menschen in diesem Bezirk, die zum größten Teil keinen christlichen Hintergrund mitbringen, nur schwer erreichen, so ihre Erfahrung. Mit dem karitativen Weg der Beratungsstelle und einem authentischen Leben christlicher Werte ließen sie sich allerdings sehr wohl berühren. Antje Markfort führte aus, wie der Pastorale Raum Reinickendorf-Nord die karitative Arbeit im Märkischen Viertel als neue Chance gemeindlicher Entwicklung entdeckt hat. Die Vorsitzende des Pfarrgemeinderats von Maria Gnaden sprach von einem Perspektivenwechsel mit dem Ziel, die Sichtweise der Menschen vor Ort zu erfassen: "Wir dürfen nicht denken: Wir sind die Gutmenschen aus der Gemeinde, die stets wissen, was richtig ist. Sondern wir müssen die Menschen fragen, die zum Beispiel vor der Essensausgabe der Tafel in der Schlange stehen, was sie sich von uns erwarten und erhoffen."
Der Workshop "Wer ist mein Nächster? Den Kiez entdecken" von Susanne Wagner-Wimmer von "Caritas rund um den Kirchturm" und Christopher Maaß, Referent im Dezernat Seelsorge, beschäftigte sich mit der Frage: "Wie gelingt es, auf andere zuzugehen, mit anderen in Kontakt zu kommen?" Ausgehend vom Gleichnis vom Barmherzigen Samariter fragten die Referenten: "Sie interessieren sich für Menschen in Ihrem Kiez? Sie möchten entdecken, wer dort lebt, was die Menschen interessiert und woran es ihnen fehlt?" Wie schwierig es sein kann, auf andere zuzugehen, beschrieb eine ältere Frau in der ersten Reihe. Sie nannte die Gruppen obdachloser Jugendlicher auf dem Alexanderplatz als Beispiel. "Auf diese Jugendlichen zuzugehen, da hätte ich Angst, ebenso wie einfach an einer fremden Tür zu klingeln", gab sie ehrlich zu. Sie selbst helfe in einem Besuchsdienst im Krankenhaus mit. "Dort treffe ich gezielt auf Menschen, zu denen ich Kontakt aufbaue und die ich am Ende, wenn gewünscht, sogar zu Hause besuche." Wagner-Wimmer stimmte zu. Es gehe nicht darum, was alles noch getan werden müsse, sondern man müsse zunächst einmal wahrnehmen, was es im Kiez schon gebe und wo man sich einbringen könne.
Erfolgreich zusammenwirken
Berit Ohlrich vom Diözesancaritasverband stellte in ihrem Workshop "Gemeinde und Caritas als Wegweiser und Zuhörer im Pastoralen Raum" zwei konkrete Beispiele für ein sozialraumorientiertes Engagement vor. Die "Orte des Zuhörens" und die "Lotsenpunkte" funktionieren seit 2005 bzw. seit 2013 sehr erfolgreich in den Bistümern Rottenburg-Stuttgart und Mainz sowie im Erzbistum Köln. Bei beiden Initiativen kooperieren Caritas und Pastoral vor Ort. Sie bilden niederschwellige Anlaufpunkte für Menschen in Not und in prekären Lebenslagen und werden von ehrenamtlich engagierten Frauen und Männern aus den Pfarreien betrieben. Sie kommen damit ohne jegliche Professionalisierung aus: "Der Erfolg liegt im Zusammenspiel der komplexen karitativen Hilfe und der Menschen vor Ort, die die Leute aus ihrem Sozialraum kennen", führt Ohlrich aus. "Es engagieren sich Ehrenamtliche, um zuzuhören und wenn nötig, weitere Hilfe zu vermitteln. Sie nehmen sich bewusst Zeit, um anderen mit Rat und Tat zur Seite stehen."
Mit einem Gottesdienst ging der erste Caritas-Pastoral-Tag am Abend zu Ende. Erzbischof Koch griff in seinem geistlichen Impuls das Magnifikat auf, die Begegnung von Maria und Elisabeth. Zum Abschluss konnten sich die Teilnehmer von Erzbischof Koch, von Schwester Michaela Bank oder von Frater Felix Polten persönlich segnen lassen und so eine geistliche Stärkung für ihr Engagement mit nach Hause nehmen.
Text: Alfred Herrmann