Pressemitteilung des Diözesan-Caritasverbandes Berlin |
Sozialhilfeberatung auf den Straßen - ein ermutigender Erfolg |
BERLIN. Am Samstag, 21.10.2000, wurden Bürgerinnen und Bürger mit einem Beratungsangebot für sozial Schwache konfrontiert, das es so bisher in Berlin nicht gegeben hatte. Sie wurden auf dem Weg zum samstäglichen Einkauf freundlich angesprochen, ob sie denn ihre sozialen Grundrechte mittels der Sozialhilfe wahrgenommen haben, ob ihnen etwas zusteht, was sie möglicherweise aus Unwissenheit, Scham oder Gedankenlosigkeit nicht realisieren konnten. Und haben sich Fragen, erste Berechnungsnotwendigkeiten ergeben - dann wurden diese Bürgerinnen und Bürger an einem Tisch beraten und versucht, ihre sozialen Ansprüche zumindest überschlägig auszuloten. Ganz erstaunlich: die Menschen nahmen das überraschende und freundliche Angebot gut an. Zu einer solchen bürgernahen Sozialhilfeberatung auf der Straße hatten sich eine studentische Projekgruppe von FU-Politologen, die Caritas, das Diakonisches Werk und der Paritätische Wohlfahrtsverband zusammengetan. Nach einer erfolgreichen Hotline-Aktion im Juli wollten die Initiatoren der Kampagne "Fehlt Ihnen etwas? Sozialhilfe kann helfen!" jetzt die "verdeckt Armen" unkonventionell auf der Straße ansprechen. Alle seriösen Untersuchungen stimmen nämlich darin überein, dass die "verdeckt Armen" das eigentliche Problem der Armut darstellen und fast auf jeden Sozialhilfeempfänger nochmals ein "verdeckt Armer" kommt. Die unkonventionelle Beratungskampagne fand an vier stark frequentierten Einkaufsorten statt: * Lichtenberg: S-Bhf. Storkower Straße * Neukölln: Hertie, Karl-Marx-Straße in den Einkaufsarkaden (mit freundlicher Unterstützung von HERTIE) * Steglitz: Hermann-Ehlers-Platz, vor U-Bahnhof-Eingang Rathaus Steglitz * Wedding: Leopoldplatz Fünf Stunden lang gab es Gespräche mit gut 700 Menschen, die auf die jeweiligen Ansprachen erstaunlich positiv reagierten. Sie waren relativ schnell bereit, ihre soziale Situation zu schildern, ihre Erfahrungen mit Sozialämtern zu erzählen und konkrete Fragen zu stellen. Die Projektgruppe schätzt - und das ist das vermutlich interessanteste Ergebnis - dass ca. 50 % der 700 Beratenen im Prinzip keinen "Schimmer von Ahnung" hatten, dass sie möglicherweise soziale Ansprüche haben könnten. Vor allem war das bei den ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und den älteren Menschen, insbesondere bei den Frauen erkennbar. Alleinerziehende mit Kindern kannten sich ungleich besser aus. Fazit: Die bisherige Sozialhilfeberatung muss mehr auf die Betroffenen zugehen, um die Schwellenängste zu reduzieren und gerade die Unorganisiertesten der sozial Schwachen besser zu erreichen. Der Projektverbund will jetzt Anstrengungen unternehmen, diesen bescheidenen Erfolg an die Politiker, Senats- und Bezirksverwaltungen zu vermitteln. Ziel sollte es sein, dass alle Beratungsstellen im Frühjahr ein Beratungsangebot auf den Straßen machen, um statt 700 Menschen dann 70.000 zu erreichen. Zweifel sind angebracht, ob Politik und Verwaltung das überhaupt wollen - ein Erfolg solcher Kampagnen wäre teuer und spätestens hier würde Finanzsenator Kurth alle Notbremsen ziehen. Bisher jedenfalls gibt es eher eine politisch-bürokratische Abwiegelung, sich dem Problem "verdeckter Armut" ernsthaft zu stellen. Weitere Informationen:
Ruth Keseberg-Alt (0 30) 8 57 84-2 28 |
Pressemitteilung
Sozialhilfeberatung auf den Straßen - ein ermutigender Erfolg
Erschienen am:
23.10.2000
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