Hans Richter ist 49 Jahre alt - offenbar zu alt, um in Berlin noch
eine Arbeit zu finden. Jetzt darf er bis Ende des Jahres für 1,50 Euro die Stunde
in der Caritas-Sozialstation Alt-Rudow arbeiten. Am Rande einer
Einführungsveranstaltung für Ein-Euro-Jobber des Caritasverbandes für das
Erzbistum Berlin sprach Petra Markus mit ihm über seine Erfahrungen aus der
Vergangenheit und seine Wünsche für die Zukunft.
Warum haben Sie sich auf einen Ein-Euro-Job bei der Caritas beworben?
Ich musste etwas dazu verdienen. Ich
bin jetzt sieben Jahre arbeitslos, bekomme Arbeitslosenhilfe, und dann ist
meine Frau letztes Jahr auch noch arbeitslos geworden. Die 1.123 Euro, die uns
im Monat zur Verfügung stehen, reichen hinten und vorne nicht aus. Auch wenn
noch das Kindergeld für unsere 12jährige Tochter dazu kommt - damit kommt man
nicht aus. Wir haben knapp 900 Euro Fixkosten im Monat für Miete, Telefon, den
Luxus Auto, Versicherungen – dann bleibt nichts mehr zum Leben.
Was sind Sie von Beruf?
Ich habe nichts gelernt. Ich war 19
Jahre in einem Ingenieurbüro für Elektrotechnik im Heizkostenservice tätig. Das
war richtig familiär, eine kleine Firma – sehr schön dort. Aber dann ist der
Chef
gestorben, das Büro ist pleite
gegangen und da wurden wir vorher schon entlassen. Damals war ich 42 Jahre alt
– und schon zu alt, um etwas anderes zu finden. Es ist ein blödes Gefühl, sieben
Jahre arbeitslos zu sein. Dabei habe ich mich wirklich bemüht, etwas zu finden.
Ich habe eine dicke Mappe mit Absagen.
Auf welche Stellen haben Sie sich in den letzten sieben Jahren
beworben?
Ich hatte mich beworben als
Lagerarbeiter, als LKW-Fahrer, als Haumeister - als Mädchen für alles, sagen
wir mal. Es fing immer mit dem Alter an und dann hieß es „na ja, da haben wir
uns was Jüngeres vorgestellt“. Vom Arbeitsamt habe ich früher überhaupt keine
Hilfe bekommen, da wurde man nicht vorgestellt – höchstens von einem
Sachbearbeiter zum anderen geschickt. Die haben einen einfach aufgegeben.
Es ist aussichtslos, hier in Berlin etwas zu
finden. Ich finde es gut, dass ich jetzt einen Ein-Euro-Job bei der Caritas
gefunden habe.
Was erwarten Sie von dem Ein-Euro-Job bei der Caritas?
Ich soll in der Caritas-Sozialstation
Alt-Rudow Rezepte holen und ältere Leute begleiten. Das ist eine schöne Aufgabe
für mich, damit ich nicht den ganzen Tag zu Hause in meinen vier Wänden
herumhänge. Meine Frau ist auch 24 Stunden zu Hause, und wir gehen uns auf den
Geist. Wir haben eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Meine Frau und ich schlafen im
Wohnzimmer, unsere Tochter hat ein eigenes Kinderzimmer. Es ist schon eine
schwierige Situation, und meine Frau findet auch nur schwer Arbeit.
In einem Ein-Euro-Job arbeiten – lohnt sich das denn überhaupt
oder fühlen Sie sich ausgenutzt?
Wir kriegen unser Geld ja trotzdem vom Arbeitsamt. Es ist
kein schönes Gefühl zu wissen, dass man tatenlos ist und den anderen immer auf
der Tasche liegt. Ich verdiene zwar nur 180 – aber besser 180 Euro als nichts.
Ich mache es gerne für das Geld. Ich war früher auch schon geringfügig
beschäftigt, habe immer etwas auf der 165-Euro-Basis gemacht. Da stehe ich mich
mit den 180 Euro genauso gut.
Wie lange haben Sie gewartet, bis Sie diesen Job bei der Caritas
hatten?
Ich bin am 1. März zum
Jobcenter gegangen und habe nach Ein-Euro-Jobs gefragt, um noch ein wenig Geld
zu verdienen und um auch wieder irgendwo rein zu kommen. Vier Tage später habe
ich von der Arbeitsagentur Post bekommen. Die teilten mir mit, dass bei der
Caritas ein 1,50-Job zu haben sei – als zusätzliche Betreuung, Fahrer und
Hausmeisterhilfe. Dann habe ich bei der Koordinierungsstelle der Caritas
angerufen, habe gesagt, dass mich die Stelle interessiert und mir wurden zwei
Stellen genannt. Ich habe dann bei der Sozialstation in Alt-Rudow angerufen und
konnte mich sofort dort vorstellen. Die waren ganz positiv überrascht von mir.
Vermutlich dachten die ja wunders wer da wohl kommt: ein Ein-Euro-Jobber – was
das wohl für einer ist – man hört ja so viel in den Medien. Es war ein kurzes
Gespräch von vielleicht einer Viertelstunde, und dann konnte ich gleich am
nächsten Tag anfangen.
Und was machen Sie jetzt bei der Sozialstation Alt-Rudow?
Ich wurde von Stephan, einem Zivildienstleistenden
eingearbeitet. Er hat mir gezeigt, wo ich hinfahren muss, wo ich Formulare und
Rezepte abholen kann. Die löse ich dann in der Apotheke ein und bringe die
Medikamente zurück zur Sozialstation. Dann alle 14 Tage Demenzkranke von zu
Hause abholen und zur Sozialstation fahren. Es ist eine schöne Atmosphäre dort,
die Arbeit gefällt mir. Alle waren sehr nett, und ich habe mich natürlich sehr
gefreut, dass die mich sofort eingestellt haben.
Ihre Stelle bei der Caritas ist auf neun Monate begrenzt. Versuchen
Sie jetzt schon, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden?
Wenn
ich jetzt von früh um acht bis nachmittags aus dem Haus bin, kann ich nicht
mehr viel machen. Und dann ist da auch diese Angst – ich weiß ganz genau, dass
ich nur Absagen bekommen werde, wenn ich mein Alter dazu schreibe. Ich bin
glücklich und froh, dass ich erst einmal bei der Caritas was machen darf. Und
ich hoffe, dass ich dann nach den neun Monaten in Alt-Rudow bleiben kann.
Weitere
Informationen:
Liliane Müller-Warson (0 30) 6 66 33-10 52 oder
(01 77) 7 13 95 03