Berlin
. Am
gestrigen Mittwoch konnte das Caritas Kinder- und Jugendhaus St. Josef mit
seinen beiden Standorten Neukölln und Charlottenburg 100jähriges Bestehen
feiern. Kinder, Eltern und Erzieher erlebten mit rund 100 Gästen aus Politik, Wohlfahrtspflege
und den Kirchen einen festlichen Tag, der wesentlich von den Kindern mitgestaltet
wurde. Für einen festlichen Rahmen sorgten auch die Marinesoldaten vom Einsatzversorger
Berlin, dem Partnerschiff der Stadt, die extra aus dem 500 km entfernsten
Wilhelmshaven angereist waren. Hausleiterin Dorothea Okonek dazu: „Ein Besuch
auf dem Schiff ist für die Kinder immer ein großartiges Erlebnis. Wir sind froh
über diese langjährige Partnerschaft“.
Die Festredner geizten nicht mit Lob für die Einrichtung des Caritasverbands. In
seinem Grußwort unterstrich der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, wie
wichtig es sei, dass Kinder in Einrichtungen wie dem Josefshaus eine zweite
Chance für ihr Leben bekommen.
Frau Bräutigam von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport lobte die
hohe Anpassungsfähigkeit des Hauses, das zugleich für eine gute, christliche
Tradition stehe. „Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zeichnen sich durch
besondere Kontinuität und ein außergewöhnliches Engagement aus“, so Bräutigam.
Dies ist nicht zu letzt den Karmelitinnen vom göttlichen Herzen Jesu zu
verdanken, die die Einrichtung bis 2004 führten. Schwester Maria Claudia blickte
denn auch stolz auf ein Jahrhundert erfolgreiche Arbeit zurück, die nicht immer
leicht gewesen sei. Schon die Gründerin, Mutter Maria Teresa Tauscher habe sich
gegen zahlreiche Widerstände von staatlicher und kirchlicher Seite durchsetzen
müssen, um ihren Wunsch „eine Heimat für heimatlose Kinder“ zu schaffen,
realisieren zu können. Sie sei eben eine Pionierin gewesen. Auf ihre Initiative
wurde auch die
erste katholische
Kindertagesstätte in Berlin gegründet.
Daran anschließend erinnerte Diözesan-Caritasdirektor Franz-Heinrich Fischler an
die teilweise katastrophalen Lebensbedingungen in Berlin Anfang des vergangenen
Jahrhunderts. Tausende Menschen seien in die Stadt gekommen mit der Hoffnung
auf Arbeit, Wohnung, ein besseres Leben. Die Milieustudien Zilles zeigten
keinesfalls eine Hinterhof-Romantik, sondern zeugten vom harten
Überlebenskampf. Armut und Krankheit seien allgegenwärtig gewesen und deshalb
fielen nicht von ungefähr zahlreiche Gründungen sozialer Werke in diese Zeit. Fischler
erinnerte in diesem Zusammenhang an die Gründung der Bahnhofsmission oder des
Berliner Caritasverbands. Zum Schluss ging er auch auf die aktuellen Kürzungspläne
des Senats ein, die gerade im Kinder- und Jugendhilfebereich einen
unübersehbaren Flurschaden verursachen würden. Traditionelle Einrichtungen und
fachlich hoch geschätzte Einrichtungen würden massiv in ihrer Existenz bedroht.
Dies stehe in eklatantem Widerspruch zu den parteipolitischen Aussagen, welche den
Schutz von Familien und Kindern gerade zu Wahlkampfzeiten auf ihre Fahnen
schrieben.
Dies konnte Prof. Dr. Birgit Bertram von der Katholischen Hochschule für
Sozialwesen in Berlin nur bestätigen. In ihrem Festvortrag machte sie deutlich,
dass die Situation von Kindern und Jugendlichen von immer mehr Ausgrenzung und
Abschiebung gekennzeichnet sei. Kinder würden auf ihren Kostenfaktor reduziert,
erwünscht höchstens als zukünftige Rentenzahler. Dabei erspare jedes Kind durch
seine Familienarbeit, etwa in der Pflege, den Sozialsystemen rund 225.000 €. Die
überalternde Gesellschaft sichere vor allem ihren Lebensabend. Hart ins Gericht
ging Bertram mit den Kürzungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder benötigten
für ihre Entwicklung vor allem „stabile und kontinuierliche Beziehungen“. Kinder
aus desolaten Familienverhältnissen wäre darauf um so mehr angewiesen, dass
Dritte diese Funktion übernähmen. Der allgegenwärtige Kostendruck führe jedoch
zu häufigen Hilfe- und damit Beziehungsabbrüchen, die tiefe Spuren in den
Kindern hinterließen. Eine stetige Verhärtung der Problemlagen sei die Folge,
die letztlich stationär und teuer bearbeitet werden müssten. Prof. Bertram
appellierte denn auch eindringlich an die Verantwortlichen, die wichtigen und
bewährten Jugendhilfestrukturen nicht kaputt zu machen.
Trotz dieser ernsten Probleme ging das Fest mit einem farbenprächtigen Buffet
und unterhaltsamen Darbietungen der Kinder und Jugendlichen recht fröhlich
weiter.
Pressemitteilung
100 Jahre Kinder- und Jugendhaus St. Josef
Erschienen am:
18.08.2005
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